Gesamtzuständigkeit der Jugendämter für alle Kinder – ob mit oder ohne Behinderung –gescheitert……was nun?

Ende der letzten Legislaturperiode war eine Gesamtzuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe für alle Kinder noch zum Greifen nahe und dann kam alles anders. Ein entsprechender Gesetzentwurf scheiterte und für die laufende Legislaturperiode ist die sog. „Inklusive Lösung“ nicht mal mehr als Ziel ausgerufen! Dass sowohl Fachwelt als auch Verbände die Gesamtzuständigkeit für dringend geboten halten, ändert an dieser Bestandsaufnahme nichts.

Also wird weiter sortiert: die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen – die jungen Menschen die von seelischer Behinderung betroffen oder bedroht sind zur Kinder- und Jugendhilfe und die, die von einer wesentlichen geistigen oder körperlichen Behinderung betroffen oder bedroht sind zur Eingliederungshilfe nach SGB XII (ab 2020 nach SGB IX).

Diese Zuordnung hat weit reichende Folgen, denn während in der Kinder- und Jugendhilfe die Expert*innen für das kindeswohlgerechte Aufwachsen junger Menschen tätig sind, kommt dieser Aspekt in der Eingliederungshilfe nach SGB XII (SGB IX) häufig zu kurz. Gerade das Aufwachsen in Familienpflege ist trotz der gesetzlichen Grundlage seit 2009 im § 54 Abs. 3 SGB XII bei vielen Leistungsträgern noch nicht als Leistung der Eingliederungshilfe verstanden worden. Das betrifft sowohl die finanzielle  Anerkennung der Leistungen der Pflegeeltern wie auch die Ausstattung der Pflegestelle und weitere begleitende Hilfen. Kein Wunder, dass immer mehr potentielle Pflegeeltern von einer Aufnahme eines Kindes mit (geistiger oder körperlicher) Behinderung Abstand nehmen – aus Sorge vor einer unzureichenden Förderung.   

In dieser Situation begrüßen wir sehr, dass sich das Dialogforum Pflegekinderhilfespeziell der Thematik „Kinder mit Behinderungen“ annimmt. Es wurde eine Rechtsexpertise zu diesem Thema in Auftrag gegeben. Auf der Homepage, auf der die Expertise auch eingestellt ist, heißt es:

Für Pflegekinder mit Behinderungen potenzieren sich die gesetzlichen und fachpraktischen Schwierigkeiten im öffentlichen Hilfesystem. Rechtsanwältin Gila Schindler, durch ihre Arbeit langjährig erfahren im Themenbereich Pflegekinder mit Behinderungen und Mitglied des Aktionsbündnisses Kinder mit Behinderungen in Pflegefamilien e.V., hat im Auftrag des Dialogforums Pflegekinderhilfe ein Rechtsgutachten erstellt, das die aktuellen gesetzlichen Grundlagen und Schwierigkeiten in der Praxis darstellt und Empfehlungen für eine inklusive Pflegekinderhilfe gibt. (vergl.: https://www.dialogforum-pflegekinderhilfe.de/expertisen/rechtsgutachten-fuer-eine-inklusive-pflegekinderhilfe-2017.html)

Wir empfehlen eine rege Nutzung und Verbreitung der Expertise, damit nicht weiterhin Kinder mit Behinderungen von einem Aufwachsen in Familie ausgeschlossen werden.